Weltbürger Arieh Sommerfeld.

Moderator: -sd-

Antworten
Benutzeravatar
-sd-
Site Admin
Beiträge: 7197
Registriert: 05.01.2007, 17:50

Weltbürger Arieh Sommerfeld.

Beitrag von -sd- »

---------------------------------------------------------------------------------

Weltbürger Arieh Sommerfeld.
Ein Leben zwischen Israel und Deutschland.


Arieh Sommerfeld ist in Israel geboren, nach Deutschland
gezogen, dann wieder zurück nach Israel gegangen um nun
seit mehr als 40 Jahren in Deutschland und davon die
letzten acht in Herten zu leben – ein Leben zwischen den
beiden Ländern. Doch der Reihe nach: Geboren ist er 1946
in Tel Aviv. Wenn man historisch genau sein will, gehörte
Tel Aviv 1946 noch nicht zu Israel, sondern lag in Palästina.
Denn der Staat Israel wurde erst zwei Jahre nach der Geburt
von Arieh Sommerfeld offiziell gegründet. Vorher verwaltete
England die Gegend als eine Folge des Ersten Weltkriegs.
Als Folge des zweiten Weltkriegs und der Judenverfolgung
in Deutschland faßten die Vereinten Nationen 1947 den
konkreten Plan, den Überlebenden der Shoa, des Holocaust,
der Judenverfolgung hier einen eigenen Staat zu ermöglichen.
Aber schon vorher waren Juden aus aller Welt in das britische
Mandatsgebiet gezogen.

So auch der in Berlin geborene und aufgewachsene Vater
von Arieh Sommerfeld, der von den Nazis 1938 im KZ Dachau
interniert wurde. Hans Sommerfeld kam wie andere vor dem
Krieg Inhaftierte wieder frei und ihm gelang die Flucht nach
Tel Aviv auf abenteuerlichen Wegen – auf einem Schiff, das
ähnlich wie die berühmte 'Exodus' Flüchtlinge nach Palästina
brachte.

Arieh Sommerfeld wuchs in Tel Aviv auf, und nichts deutete
darauf hin, daß er jemals wieder Deutschland betreten würde.
Doch ein Motorradunfall des Vaters veränderte das Leben
der Familie. Die Ärzte in Israel bekamen den komplizierten
Bruch nicht wieder hin, der Vater begab sich nach Wien zu
den seinerzeit bekanntesten Chirurgen in Behandlung. Dort
lernte der Vater den deutschen Botschafter kennen und der
überzeugte ihn, nach Deutschland zurückzukehren. Berlin
kam wegen der Teilung für ihn nicht in Frage und so wurde
es das Ruhrgebiet, genauer Bochum. 1957 dann holte er
Frau und Sohn nach.

"In Israel hatten wir nur hebräisch gesprochen, ich konnte
kein Wort Deutsch. Wir kamen kurz vor den Sommerferien
an, und ich mußte gleich die Schule besuchen. Mit einer
Fibel versuchte ich, in den Ferien Deutsch zu lernen, aber
im ersten Aufsatz nach den Ferien habe ich auf fünf Seiten
165 Fehler gehabt. Trotzdem hatte der Lehrer Tränen in
den Augen, weil er so einen Erfolg nicht für möglich gehalten
hatte. Und in Mathe hatte ich sowieso eine Eins", berichtet
er lachend. Damals war das sicher nicht so lustig, sich durch-
zubeißen. Doch es gelang, er lernte die Sprache schnell, er
schloß die Schule ab und erlernte bei der Firma Karstadt den
Beruf des Verkäufers. "Ich habe die Kaufmannsgehilfenprüfung
abgelegt, so hieß das damals, und in der Sportabteilung gear-
beitet."

Er erinnert sich noch gut, daß seine Cousine aus Israel die
Familie damals besuchen wollte: „Die war 1958 bei einem
Onkel in Paris und wollte uns ebenfalls besuchen kommen.
Aber als israelischer Staatsbürgerin hat ihr die deutsche
Botschaft in Paris damals die Einreise verweigert. Es gab
einfach immer wieder so kleine Nadelstiche, die einem die
Geschichte Deutschlands in Erinnerung brachten", blickt er
heute völlig ohne Zorn zurück.

Nach der Lehre rief ihn dann die Pflicht: Die Armee in
Israel suchte dringend einen guten Artilleristen. "Ich habe
zwei Jahre und acht Monate gedient, die Wehrzeit in Israel
ist lang. Und weil ich die Urlaubs- und Ausgangszeiten
nicht immer so eingehalten habe, wie richtig gute Soldaten
das tun, habe ich auch einige Zeit zusätzlich im Arrest
verbracht", erinnert er sich lachend an diese Zeit. Doch genau
am Entlassungstag ereilte ihn ein Telegramm, die Mutter
war bei einem Straßenbahnunfall in Deutschland schwer
verletzt worden. Schnell mußten alle Papiere in Ordnung
gebracht werden, Arieh Sommerfeld reiste wieder nach
Deutschland, um dem Vater beizustehen. Und wie das Leben
dann so spielt: Die Eltern haben Freunde, die sich gegenseitig
oft besuchen, die Freunde haben eine Tochter und 1968
heirateten Arieh und Jutta. Arieh Sommerfeld arbeitete
als Verkäufer bei Neckermann und später als Fahrverkäufer
bei Coca Cola, dann als LKW-Fahrer für Gefahrguttransporte.
1969 kamen Zwillinge zur Welt, ein Junge und ein Mädchen.
1971 dann reisten Sommerfelds zu Verwandten nach Israel,
es gefiel allen gut und 1972 beschloß man, zurück nach
Israel zu ziehen.

Seine Qualitäten als LKW-Fahrer leisteten Arieh Sommerfeld
in Israel gute Dienste: Er fuhr auch hier Lastwagen, arbeitete
im Hotel oder als Briefträger: "Ich habe mich durchgeschlagen
und war mir für keine Arbeit zu fein. Aber am Ende stimmte
die Bezahlung immer weniger. Da bin ich 1976 wieder nach
Deutschland gegangen." Als LKW-Fahrer fing er wieder an,
später schulte er um zum Energiegeräte-Elektroniker. Irgend-
wann spielte die Gesundheit nicht mehr mit und er, der immer
gearbeitet hatte, fand keine Arbeit mehr: "Das ist schon traurig,
wenn man auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr unterkommt.“
Doch für Arieh Sommerfeld war das kein Grund, die Haltung
zu verlieren. Er engagierte sich in der jüdischen Gemeinde als
Vorbeter. "Die Gemeinden wachsen ja durch die Zuwanderung
aus Rußland zurzeit wieder, aber die Zuwanderer können die
Thora nicht lesen und auch kein Hebräisch. Und dieses Vor-
lesen ist ja ein wesentlicher Bestandteil des Gottesdienstes.
Also habe ich das gemacht." Dazu hat er quasi neu lesen
lernen müssen. Denn die Thora ist in hebräischen Buchstaben
geschrieben, aber ohne Vokale und ohne die im hebräischen
eigentümlichen Melodiezeichen. Beide werden durch Punkte
ersetzt. "Das bedeutet für den Vorleser, daß er die einzelnen
Kapitel sehr genau kennen muß, um die richtigen Vokale ein-
zusetzen und richtig zu betonen, denn auch die Betonung
trägt im hebräischen zur Bedeutung bei."

Wenn man ihn fragt, wo er zu Hause ist, dann ist die
Antwort eindeutig: "Meine Heimat ist Israel. Aber man soll
das nicht überbewerten, eigentlich sind wir doch alle Welt-
bürger. Man soll den Ort, in dem man gerade lebt, nicht zum
Mittelpunkt der Welt machen."

Quelle: "Hallo, wie geht's ?"
Mitgliederzeitschrift Nr. 24 / April 2010
der Hertener Wohnstätten Genossenschaft
http://www.hwg-herten.de/LeseBar/Resour ... 24_net.pdf

---------------------------------------------------------------------------------
Antworten

Zurück zu „Palästina > Israel“